Katz U.
Die Rolle des Lymphödems in der Heilung des Ulcus cruris
Lymph Forsch 4 (1) 2000;39

Klinik am Ruhrpark, Bochum

Die unbehandelte chronische venöse Insuffizienz führt unweigerlich zur chronischen venösen Hypertension. Diese endet irgendwann in einem venösen Desaster - nämlich dem Ulcus cruris! Der Anfangspunkt einer Kette unendlichen Leidens ist erreicht! Die venöse Überdrucksituation geht mit einem verzögerten Rückstrom des Venenblutes und einer Volumenüberlastung der Venolen und Kapillaren einher! Es kommt zu einer Überbelastung der Venenwand, diese führt insbesondere in der Media-Schicht zur dysplastischen Veränderung! Diese Media-Dysplasie ist durch eine vermehrte Transformation von Myozyten in Fibroblasten sowie die Proliferation nicht kontraktiler Myozyten und Kollagenfasern charakterisiert. Im Extrazellulär-Raum entstehen Lysosomen, deren Proteasen die Zerstörung elastischer und kollagener Fasern an der Venenwand verursachen. Auf diese Weise entsteht eine Varicosis mit Verschlussunfähigkeit der Venenklappen. Diese Venenschädigungen sind oft mit einer Störung der lokalen Lymphdrainage kombiniert. Durch die Druck- und Volumenüberlastung kommt es zur Dilatation von Venolen und Kapillaren im peripheren Gewebeareal. Leukozyten haften an dem Venenendothel an und bilden Entzündungsmediatoren, die in die Gefäßwand eindringen. Die verstärkte Filtration von Eiweiß und korpuskulären Blutelementen (z. B. Erythrozyten) verbunden mit der verminderten Reabsorption von Gewebeflüssigkeit in der Mikrostrombahn begünstigen die Ausbildung eines Gewebeödems. Es kommt zu einer vermehrten Hämosiderin-Ablagerung in der Haut, allen bekannt als »Braune Flecken«. Normalerweise wirkt dem Auftreten eines Gewebeödems ein vermehrter Abtransport der Gewebeflüssigkeit über die Lymphbahnen, die eine Art Ventilfunktion einnehmen, entgegen. Diese Kompensation ist aber nur begrenzt möglich, so dass bei der chronischen venösen Insuffizienz die lymphatische Transportkapazität erschöpft ist. Es kommt zu einer Kombination von Phleb- und Lymphödem. Der vermehrte Eiweißgehalt des Lymphödems begünstigt eine Weiterentwicklung von Entzündungsreaktionen im Gewebe. Das anfänglich weiche, eindrückbare Odem bei der chronischen venösen Insuffizienz wird im weiteren Verlauf der Erkrankung zu einer Gewebesklerosierung und somit hart. Diese chronische Gewebefibrosierung geht wiederum mit einer weiteren Störung der Diffusion von Sauerstoff und Nährstoff im Gewebe einher, so dass ein Circulus vitiosus entsteht. Sind die Muskelfaszien in diesem Entzündungsprozess mit einbezogen, kommt es auch hier zu einer Narbenplatte und somit zu einer verminderten Elastizität, es entsteht das chronische Faszien-Kompressions-Syndrom (Hach 1994). Bei geringster Traumatisierung kann es bei diesem chronischen Faszienkompressions-Syndrom zur Ausbildung von manschettenartigen Ulzerationen und Nekrosen kommen. Durch Mitbeteiligung des chronischen venösen Staus auf den Bandapparat des Sprunggelenkes kommt es unweigerlich zum arthrogenen Stauungssyndrom, wobei der Patient im Endstadium das Gelenk überhaupt nicht mehr bewegen kann und somit der chronischen venösen Insuffizienz nicht mehr entgegenwirken kann. Übersteigt die lymphpflichtige Last die lymphatische Transportkapazität, so führt dies zu einer Anreicherung der Lymphe im Interstitium, wie dies bei der venösen Insuffizienz und beim postthrombotischen Syndrom zu finden ist. Eine Anreicherung von Lymphe im Gewebe bedeutet ein Anstieg der Proteinkonzentration im Interstitium. Diese bewirkt eine chronische Entzündungsreaktion, die durch Ansammlung von Makrophagen, Fibroblasten und Lymphozyten und Fibrosebildung charakterisiert ist. Die Folge der chronischen venösen Hypertension ist neben dem Phlebödem das kombinierte Phlebo-Lymphödem. Unbehandelt führt dieses zur DermatoLipo-Fazio-Sklerose regionales oder zirkularis. Kompressionstherapie mittels Kompressionsverbänden, Manueller Lymphdrainage und auch apparativer intermittierender Kompression können diesen schweren chronischen Krankheitsbildern Einhalt gebieten, wenn man frühzeitig ausreichend diagnostiziert.